Dr. Andreas Groh
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Aktuell:
Preis für die beste Lehre der FR Mathematik im Sommersemester 2011
Forschungsinteressen:
■ Inverse Probleme in Biologie, Medizin und Technik
Wissenschaftler arbeiten mit Modellen, d. h. mit vereinfachten Zusammenhängen zwischen Ursache und Wirkung. Modelle können analysiert und verwendet werden um Vorhersagen zu treffen. Etwa werden sogenannte Populationsbilanzgleichungen zur Beschreibung der Dynamik einer Zellpopulation in Abhängigkeit von einem "inneren Zustand" eingesetzt. Bei diesem Zustand kann es sich um das Alter, das Volumen, die Masse, DNS-Gehalt o. ä. handeln. Die modellierten Ereignisse sind u. a. Zellteilung (Mitose) und Wachstum. In der Modellgleichung, i. d. R. einer Differentialgleichung, können mehrere Proportionalitätsfaktoren auftreten (Wachstumsrate, Teilungsrate, etc.). Diese Raten können konstant sein oder vom inneren Zustand bzw. der Zeit abhängen.
Das direkte Problem lautet nun folgendermaßen: «Angenommen, die Raten und ein Anfangszustand seien gegeben. Wie ist die Population zu einem gewissen späteren Zeitpunkt zusammengesetzt?» Basierend auf quantifizierbaren Kenntnissen über Zellprozesse wird eine Vorhersage getroffen; man schließt also von einer Ursache auf die Wirkung. Bei inversen Problemen betrachtet man die umgekehrte Richtung. Die Frage kann beispielsweise lauten: «Welche Teilungsrate ist verantwortlich dafür, dass die Ausgabe des Modells (wenigstens ungefähr) gleich mit der gemessenen Information ist?» D. h. man hat gewisse Messungen der modellierten Größe und berechnet unbekannte Proportionalitätsfaktoren, die in der konkreten Situation nicht experimentell bestimmbar sind. Anders formuliert: Man schließt von der Wirkung auf ihre Ursache. Dies dient zum einen dazu, unter ähnlichen Umständen verlässliche Vorhersagen treffen zu können oder um das Modell zu validieren.
Ein entwickeltes Lösungsverfahren muss gleich mehrere Kriterien erfüllen: Es soll präzise Ergebnisse liefern, es muss unempfindlich auf unvermeidbare Messfehler reagieren und die Laufzeit des Computerprogramms soll möglichst kurz sein. Das Lösen von inversen Problemen, die sich aus der interdisziplinären Forschung ergeben, ist vor allem (aber nicht nur) mathematisch anspruchsvoll, hat man doch mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Gerade diese Herausforderungen machen die aber Arbeit aber auch spannend und reizvoll. So konnte ich bereits einige gute Forschungsergebnisse in diesem Bereich erzielen, es gibt jedoch noch viele weitere Ideen und mindestens so viele offene Fragestellungen denen es sich lohnt nachzugehen.
■ Mathematische Modellierung in der Biologie und Medizin.
Speziell: gerichtete und zufällige Zellmigration
Migrationserscheinungen bei eukaryotischen Zellen sind häufig zu beobachtende Phänomene. Sie spielen etwa bei der Immunabwehr (Leukozyten), sowie bei der Wundheilung und dem Bindegewebsaufbau (Fibroblasten) eine bedeutende Rolle. Die letztgenannten Zellen sind auch bspw. an der desmoplastischen Stromareaktion (DSR) beteiligt, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen auftreten kann. Die DSR ist sowohl für den Krankheitsverlauf selbst, als auch in der Diagnostik wichtig, da sie in histologischen Schnittpräparaten lichtmikroskopisch erkennbar ist. Im Wesentlichen findet bei dieser Reaktion eine Modifikation des tumorumgebenden Bindegewebes statt. Für die Eigenschaften des Bindegewebes, auch extrazelluläre Matrix (EZM) genannt, sind Dichte und Richtung der Kollagenfasern bestimmend. Diese Fasern werden wiederum von den Fibroblasten bei ihrer Wanderung im Gewebe abgelegt. So kommt der Modellierung der Zellwanderung bei der mathematischen Beschreibung der DSR eine bedeutende Rolle zu. Dabei sind Phänomene wie zufällige Fluktuationen, natürliche Reibung, Chemotaxis und Kontaktleitung zu beobachten und mathematisch zu formulieren.
Das folgende Video soll einen Einblick in die Arbeiten liefern. Folgende Szenen sind zu beobachten:
- Histologisches Schnittpräparat
- Chemotaktisch stummes (hellgrau) und aktives (dunkelgrau) Gewebe werden von einer medizinischen Fachkraft manuell mittels der prototypischen Software SeViSe segmentiert und somit digitalisiert. Artefakte (rot) werden ebenfalls erfasst, sie bilden ausgesparte Gebiete.
- Die Gewebeumrisse dienen als Input für numerische Simulationen, da sie das Gebiet der ECM definieren. In die ECM werden Zellen eingesetzt und die Simulation gestartet. Die schwarzen Linien sind geglättete Versionen der Zellpfade
- Postprocessing: Anhand der Trajektorien können weitere Informationen bzgl. der Faserarchitektur gewonnen werden.
Lebenslauf:
20.08.1977 | Geburt |
Juni 1996 | Allgemeine Hochschulreife am Helmholtz-Gymnasium in Zweibrücken |
1996/97 | Zivildienst als individueller Schwerstbehindertenbetreuer |
Okt. 1997 | Beginn des Studiums Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen an der Universität des Saarlandes. Fächer: Mathematik und Biologie. Examensarbeit: "Algorithmenentwicklung in der Tomosynthese: Ein spezielles Tomographieverfahren", betreut durch Prof. Dr. A.K. Louis |
Sept. 2003 | Erste Staatsprüfung |
Okt. 2003 | Beginn Promotionsstudium in angewandter Mathematik am Lehrstuhl von Prof. Dr. A.K. Louis |
seit Jan. 2004 | Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. A.K. Louis |
Feb. 2009 | Promotion zum Dr. rer. nat., Titel der Dissertation: Stochastische Modellierung der durch Taxien beeinflussten Zellmigration und Simulation der extrazellulären Matrix |
Vorlesungen:
- Sommersemester 2012: Höhere Mathematik für Ingenieure IVa
- Sommersemester 2011: Höhere Mathematik für Ingenieure IVa und IVb
- Wintersemester 2010/2011: Numerische Methoden in der Biologie
- Wintersemester 2009/2010: Modellierung/Programmierung
- Vortragsangebot für Schulen
Veröffentlichungen
- Numerical rate function determination in partial differential equations modeling cell population dynamics J. Math. Biol. (2017), 74(3), 533-565.
- Improved solution methods for an inverse problem related to a population balance model in chemical engineering Inverse Problems 28 (2012) 085006.
- Numerical rate function determination in partial differential equations modeling cell population dynamics submitted
- Efficient solution of an inverse problem in cell population dynamics
Inverse Problems 27 (2011) 065009 (25pp)
Paper Selected in "2011 Highlights for Inverse Problems" - Biased three-dimensional cell migration and collagen matrix modification Mathematical Biosciences 231, 2011, 105-119
- Parameter Estimation in Population Balance Models
AIP Conf. Proc., September 2010, Volume 1281, pp. 1971-1974
ICNAAM 2010: International Conference of Numerical Analysis and Applied Mathematics - Stochastic modelling of biased cell migration and collagen matrix modification Journal of Mathematical Biology 61, 617-647, 2010
- Mathematische Modellierung in der Systembiologie Der Pathologe, 29 (2008), 135-140.
- Signaltheoretische Analyse histologischer Daten im Ortsfrequenzraum Der Pathologe, 29 (2008), 129-134.
- Virtuelles Gewebe Der Pathologe, 29 (2008), 123-128.
- Photorealistische Generierung histologischer und histopathologischer
Schnittpräparate
Bildverarbeitung für die Medizin 2006
Algorithmen - Systeme - Anwendungen
Proceedings des Workshops vom 19. bis 21. März 2006 in Hamburg
Herausgegeben von Heinz Handels, Jan Ehrhardt, Alexander Horsch, Hans-Peter Meinzer und Thomas Tolxdorff - Neue Perspektiven des E-Learning für Blinde und hochgradig Sehbehinderte GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, 2 (2006), Doc18.
- Simulating Soft Data to make Soft Data applicable to Simulation In Vivo, (Jan-Feb 2006), 20(1), pp. 49-54