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Aktuell:

Preis für die beste Lehre der FR Mathematik im Sommersemester 2011

 

Forschungsinteressen:

Inverse Probleme in Biologie, Medizin und Technik

Wissenschaftler arbeiten mit Modellen, d. h. mit vereinfachten Zusammenhängen zwischen Ursache und Wirkung. Modelle können analysiert und verwendet werden um Vorhersagen zu treffen. Etwa werden sogenannte Populationsbilanzgleichungen zur Beschreibung der Dynamik einer Zellpopulation in Abhängigkeit von einem "inneren Zustand" eingesetzt. Bei diesem Zustand kann es sich um das Alter, das Volumen, die Masse, DNS-Gehalt o. ä. handeln. Die modellierten Ereignisse sind u. a. Zellteilung (Mitose) und Wachstum. In der Modellgleichung, i. d. R. einer Differentialgleichung, können mehrere Proportionalitätsfaktoren auftreten (Wachstumsrate, Teilungsrate, etc.). Diese Raten können konstant sein oder vom inneren Zustand bzw. der Zeit abhängen.
Das direkte Problem lautet nun folgendermaßen: «Angenommen, die Raten und ein Anfangszustand seien gegeben. Wie ist die Population zu einem gewissen späteren Zeitpunkt zusammengesetzt?» Basierend auf quantifizierbaren Kenntnissen über Zellprozesse wird eine Vorhersage getroffen; man schließt also von einer Ursache auf die Wirkung. Bei inversen Problemen betrachtet man die umgekehrte Richtung. Die Frage kann beispielsweise lauten: «Welche Teilungsrate ist verantwortlich dafür, dass die Ausgabe des Modells (wenigstens ungefähr) gleich mit der gemessenen Information ist?» D. h. man hat gewisse Messungen der modellierten Größe und berechnet unbekannte Proportionalitätsfaktoren, die in der konkreten Situation nicht experimentell bestimmbar sind. Anders formuliert: Man schließt von der Wirkung auf ihre Ursache. Dies dient zum einen dazu, unter ähnlichen Umständen verlässliche Vorhersagen treffen zu können oder um das Modell zu validieren.
Ein entwickeltes Lösungsverfahren muss gleich mehrere Kriterien erfüllen: Es soll präzise Ergebnisse liefern, es muss unempfindlich auf unvermeidbare Messfehler reagieren und die Laufzeit des Computerprogramms soll möglichst kurz sein. Das Lösen von inversen Problemen, die sich aus der interdisziplinären Forschung ergeben, ist vor allem (aber nicht nur) mathematisch anspruchsvoll, hat man doch mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Gerade diese Herausforderungen machen die aber Arbeit aber auch spannend und reizvoll. So konnte ich bereits einige gute Forschungsergebnisse in diesem Bereich erzielen, es gibt jedoch noch viele weitere Ideen und mindestens so viele offene Fragestellungen denen es sich lohnt nachzugehen.

Mathematische Modellierung in der Biologie und Medizin.
Speziell: gerichtete und zufällige Zellmigration

Migrationserscheinungen bei eukaryotischen Zellen sind häufig zu beobachtende Phänomene. Sie spielen etwa bei der Immunabwehr (Leukozyten), sowie bei der Wundheilung und dem Bindegewebsaufbau (Fibroblasten) eine bedeutende Rolle. Die letztgenannten Zellen sind auch bspw. an der desmoplastischen Stromareaktion (DSR) beteiligt, die im Zusammenhang mit Krebserkrankungen auftreten kann. Die DSR ist sowohl für den Krankheitsverlauf selbst, als auch in der Diagnostik wichtig, da sie in histologischen Schnittpräparaten lichtmikroskopisch erkennbar ist. Im Wesentlichen findet bei dieser Reaktion eine Modifikation des tumorumgebenden Bindegewebes statt. Für die Eigenschaften des Bindegewebes, auch extrazelluläre Matrix (EZM) genannt, sind Dichte und Richtung der Kollagenfasern bestimmend. Diese Fasern werden wiederum von den Fibroblasten bei ihrer Wanderung im Gewebe abgelegt. So kommt der Modellierung der Zellwanderung bei der mathematischen Beschreibung der DSR eine bedeutende Rolle zu. Dabei sind Phänomene wie zufällige Fluktuationen, natürliche Reibung, Chemotaxis und Kontaktleitung zu beobachten und mathematisch zu formulieren.

 

Das folgende Video soll einen Einblick in die Arbeiten liefern. Folgende Szenen sind zu beobachten:

  • Histologisches Schnittpräparat
  • Chemotaktisch stummes (hellgrau) und aktives (dunkelgrau) Gewebe werden von einer medizinischen Fachkraft manuell mittels der prototypischen Software SeViSe segmentiert und somit digitalisiert. Artefakte (rot) werden ebenfalls erfasst, sie bilden ausgesparte Gebiete.
  • Die Gewebeumrisse dienen als Input für numerische Simulationen, da sie das Gebiet der ECM definieren. In die ECM werden Zellen eingesetzt und die Simulation gestartet. Die schwarzen Linien sind geglättete Versionen der Zellpfade
  • Postprocessing: Anhand der Trajektorien können weitere Informationen bzgl. der Faserarchitektur gewonnen werden.

 

Lebenslauf:

20.08.1977 Geburt
Juni 1996 Allgemeine Hochschulreife am Helmholtz-Gymnasium in Zweibrücken
1996/97 Zivildienst als individueller Schwerstbehindertenbetreuer
Okt. 1997 Beginn des Studiums Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen an der Universität des Saarlandes. Fächer: Mathematik und Biologie. Examensarbeit: "Algorithmenentwicklung in der Tomosynthese: Ein spezielles Tomographieverfahren", betreut durch Prof. Dr. A.K. Louis
Sept. 2003 Erste Staatsprüfung
Okt. 2003 Beginn Promotionsstudium in angewandter Mathematik am Lehrstuhl von Prof. Dr. A.K. Louis
seit Jan. 2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. A.K. Louis
Feb. 2009 Promotion zum Dr. rer. nat., Titel der Dissertation: Stochastische Modellierung der durch Taxien beeinflussten Zellmigration und Simulation der extrazellulären Matrix

 

Vorlesungen:

   

Veröffentlichungen